Waldorfpädagogik

zeitgemäßer denn je?!

Ein Vortrag anlässlich des 100. Todestages von Rudolf Steiner

Referent: Uwe Dietrich

Diplompädagoge und Heilpädagoge

Wann?

Donnerstag 05. Juni 2025

19.00 Uhr

Wo?

Waldorfkindergarten Diepholz

Karkhoff 14

49356 Diepholz

Telefon: 05411/7111

Eintritt frei / Spende willkommen

Wir freuen uns auf Sie! 

 

 

Jubiläumsbasar 27.09.2025 14:00- 17:00 Uhr 

40 Jahre Waldorfkindergarten Diepholz!

Seien Sie dabei und feiern Sie mit uns !

 

 

Rudolf Steiner – eine Würdigung zum 100.

Todestag

Wie ist es möglich, eine Persönlichkeit zu würdigen, von der sich seit 100 Jahren unzählige

Menschen in einer bestimmten biografischen Situation auf ihre jeweils eigene Art zutiefst

angesprochen erlebten, ohne diesem Menschen je irdisch begegnet zu sein? Ein solch intimes

Berührtsein ist von der Qualität her immer ein Anfang für die Entstehung von etwas Neuem.

von M. Elbert | 16.03.2025

Es stiftet das Erwachen für die Frage nach dem Menschen, ja des Menschenseins selbst in

ganz eigener und zugleich wesenhafter Art. Unwiderruflich ist damit die Selbstverantwortung

angesprochen. Es beginnt etwas, das man wohl kaum noch ignorieren kann, hat es einmal

innerseelisch gezündet. Denn es ist zugleich die Entdeckung des eigenen Quells der Lebens-

kraft. In solitärer Weise stellte Rudolf Steiner die Frage nach dem Menschsein explizit und

begründete damit die Anthroposophie. Mit ihr wird deutlich, dass die Frage nach dem

Menschen nur zukunftsweisend entfaltet werden kann, wenn sie um die geistige Perspektive

erweitert wird. Dazu sind Zugänge des denkenden Erkennens möglich und nötig, die sich

jeder methodisch erarbeiten kann.

Ein lebendig freies Denken ist an das Herzorgan gebunden.

Es ist ein Schöpferisches, das aus sich heraus Zusammenhänge erkennt,

Zukünftiges erfasst und Quelle aller Kreativität ist.

Rudolf Steiner

In konsequent durchgetragener Weise liegt in der Anthroposophie als „Bewusstsein vom

Menschentum“ die Ursache in der Zukunft. Die Erdentwicklung und Bewusstseinsgeschichte

der Menschheit zu verstehen ist unerlässlich, auf ihr baut alles Weitere auf, jedoch nicht im

Sinne einer Weiterentwicklung aus dem Erinnerten und Vergangenen. Zwar ist es wichtig, die

Herkunft zu kennen, die Zukunftsgestaltung jedoch findet ihre Kraft aus dem Ziel künftigen

Menschenseins. Es gilt, an einer menschlichen Welt des Miteinanders zu arbeiten im Sinne

von Brüderlichkeit, Religionsfreiheit, Einsicht in die geistige Natur der Welt und der damit

verbundenen Verantwortung für das Leben der Erde. Erkenntnis wird gewonnen und

geschaffen aus dem Bemühen um den Gesamtzusammenhang der Menschen und der Welt, in

der alle Teile repräsentiert sind und sich umgekehrt in jedem Teil das Ganze abbildet.

Mittelpunkt der Anthroposophie ist eine überkonfessionelle Christologie, die Menschwerdung

oder anders gesagt eine Spiritualisierung des Denkens. Richtungsweisend ist die Ausbildung

der eigenen Individualität aus einer Verantwortlichkeit für den Gesamtzusammenhang der

Menschheit. So war das Urmenschliche die Ursache für die Erdentwicklung und sie ist

zugleich das Ziel, welches von je her mit dem Begriff ‚Logos‘ beschrieben wurde. Durch

Rudolf Steiner wurde mit der Anthroposophie ein Entwicklungsweg an- gelegt, den es

selbstverantwortlich zu gehen gilt. Heute, nach 100 Jahren, stehen wir deutlich vor der

Anforderung, die Anthroposophie selbstwirksam weiterzutragen. Wie kann ich aus mir selbst,

aus meiner mir möglichen seelisch-geistigen Wirklichkeit sozialwirksam weltverändernd

mitwirken? Jeder an seinem Ort. Zwar ist dieser Weg von der Begegnung mit Rudolf Steiner

initiiert, zu beschreiten habe ich ihn jedoch selbst. Für dieses Augenöffnen für eine gestaltbare

Zukunft kann man gegen- über Rudolf Steiner eine tiefe Dankbarkeit empfinden.

Rudolf Steiner selbst hat die Anthroposophie nach 21 Jahren Vortragstätigkeit und

ausgeprägtem künstlerischen Wirken auf eine neue Ebene gehoben. In seinem letzten

Lebensabschnitt stieß er mit der Begründung verschiedenster Praxis- und Lebensfelder eine

kultur- wirksame Transformationsbewegung an. Die

Anthroposophische Gesellschaft selbst begründete er als ein Gefäß für die anthroposophische

Gesamtbewegung in der ganzen Welt. Vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

konnte in reichhaltigster Weise vieles zum Erblühen kommen. Kaum ein Zukunftsgestalter

hat so viele Impulse für Neues gegeben, wofür die anthroposophische Bewegung heute in

vielen Lebensgebieten Ausdruck ist.

Um nur einen Punkt hier beispielsweise her- auszugreifen: Durch die Initiierung der bio-

logisch-dynamischen Landwirtschaft 1924 ist eine Bewegung gewachsen, die sich die

Aufgabe stellt, an der Gesundung der Erde zu arbeiten und dabei gesunde Nahrungsmittel zu

erzeugen. Gesundheit von Erde und Mensch bedingen sich gegenseitig und setzen voraus,

dass der Boden und die Tiere in einem gesunden Klima miteinander leben können. Durch die

bio-dynamische Bewegung sind unzählige Oasen für Artenvielfalt über die Jahrzehnte

geschaffen und erhalten worden. Es gibt Landwirtschaftsflächen, auf denen noch nie Pflan

zengifte und künstliche Düngung eingesetzt wurden, womit ganz besondere Lebensräume

erhalten worden sind. Ich möchte diese Orte als Perlen der Zivilisation beschreiben, und dies

wäre auf andere Gebiete leicht auszuweiten.

Im Zentrum des Schaffens Rudolf Steiners aber steht die Begründung der Freien Hochschule

für Geisteswissenschaft am Goetheanum. Der Goldgrund dieser Freien Hochschule ist, dass

sie weltweit getragen wird aus freiem Willen von Menschen, die in der Anthroposophie et-

was Berechtigtes sehen und sich dafür mit der Anthroposophischen Gesellschaft verbinden.

Weder staatliche noch wirtschaftliche Fremdinteressen haben hier einen Einflussbereich auf

Forschung, Lehre und Begegnungskultur. Die Freie Hochschule dient einzig der

menschlichen Entwicklung, der Selbsterkenntnis und dem Zugang der Menschen zur geistigen

Welt. Viel wird davon abhängen, ob sie – auch nach 100 Jahren noch im Aufbau befindlich –

in ihrer Bedeutung und Potentialität hoffentlich noch von sehr viel mehr Menschen erkannt

wird und damit aus dem freien Wollen noch weiter und stärker in Kraft gesetzt werden kann.

Möglicherweise liegt in dem verstärkten Wachwerden für diese Aufgabe auch eine Relevanz

für die Individualität Rudolf Steiners selbst.

Zusammenfassend kann man sagen, das Lebenswerk Rudolf Steiners war ein sozial-

künstlerischer Schöpfungsakt aus einem großen geistigen Wurf. Im Namen unzähliger

Menschen erlaube ich mir, Rudolf Steiner einen tiefen Dank auszusprechen für diese

weitreichend angelegte Wegspur hin zur Menschwerdung. Letztlich steht die Zuversicht, dass

wir auf dem Weg der Individualisierung zu sinnhafter Einsicht und Weitsicht kommen

werden, um aus der inneren Verbundenheit mit dem Werk Rudolf Steiners wirksam

zusammenzuarbeiten und damit der Anthroposophie im Sinne einer neuen Zeit eine

angemessene Zukunft geben zu können.

Monika Elbert, Mitglied des Arbeitskollegiums und Generalsekretärin der

Landesgesellschaft